Von den Montagsdemonstrationen hin zum Mauerfall - Der Theologe und Philosoph Prof. Dr. Richard Schröder sprach in Neustadt
Am 5. November 2019 wurde die beliebte zeitgeschichtliche Veranstaltungsreihe der Stadt Neustadt (Hessen) im Historischen Rathaus fortgesetzt.
Zum zweiten Male innerhalb von wenigen Tagen standen die Geschehnisse in der DDR im Herbst 1989 im Mittelpunkt. Berichtete Ende Oktober der hochrangige SED- und FDJ-Funktionär Eberhard Aurich über seine Sicht des Zusammenbruchs des Arbeiter- und Bauernstaates, war diesmal der Theologe und Philosoph Prof. Dr. Richard Schröder zu Gast.
Bürgermeister Thomas Groll stellte den Gast aus Brandenburg zu Beginn des Abends näher vor.
Namhafte Politikerinnen und Politiker sowie Vertreter der Medien bezeichneten den vielfach ausgezeichneten Schröder im Laufe der Jahre als einen stets hellwachen und streitbaren Intelektuellen, der mit nüchterner Analyse und pointierten Aussagen bis heute gefragter Ratgeber von Politik, Wissenschaft, Kirche und Kultur sei.
Prof. Dr. Richard Schröder, zunächst evangelischer Pfarrer und dann Theologie-Professor, gilt als ein aufrechter Patriot und Akteur des friedlichen Herbstes 1989 sowie des Einigungsprozesses 1990. Bundespräsident Steinmeier sieht in ihm einen Ratgeber für Deutschlands und Europas Einheit.
Bürgermeister Groll verwies darauf, dass Schröder als Vorsitzender der SPD-Fraktion in der einzigen frei gewählten Volkskammer 1990 mit dafür verantwortlich war, dass die notwendigen Mehrheiten für die Wirtschafts- und Währungsunion bzw. den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober zustande kamen.
Joachim Wermann kam als junger Mann mit vielen anderen nach dem II. Weltkrieg aus dem Erzgebirge nach Neustadt. Die alte Heimat Gelenau hat er nie vergessen und besucht sie seit dem Mauerfall regelmäßig. In einem kurzen Gedicht brachte er seine Empfindungen zum Herbst 1989 zum Ausdruck.
Für die musikalische Umrahmung sorgte erneut das Trio „Semplice“, das mit „Wind of change“ für Erinnerungen an den Fall des Eisernen Vorhangs in Deutschland und Europa sorgte.
Prof. Dr. Richard Schröder verstand sich bei seinem Vortrag als Chronist des Herbstes 1989. Nach seinen Worten waren die Montagsdemonstrationen in Leipzig der Grundstein für die friedliche Revolution in der DDR und den Mauerfall. Die Montagsdemonstrationen wiederum hätten Anfang der 1980er Jahre ihren Anfang in den Friedensgebeten in der Nicolai-Kirche genommen. Seien es anfangs nur wenige gewesen, sei ihre Zahl im Sommer 1989 regelmäßig angestiegen.
Als entscheidendes Datum stellte der Theologe den 9. Oktober 1989 heraus. Nur zwei Tage nach dem 40. Jahrestag der Gründung der DDR seien in Leipzig 70.000 Menschen auf die Straße gegangen. An jenem Tage begann nach Schröders Worten der Untergang der DDR. Die SED-Machthaber hätten erkannt, dass sie „Herrscher ohne Volk“ seien.
Der Referent verwies darauf, dass Honecker kurzzeitig über den Einsatz von Gewalt nachgedacht habe, dies aber dann wieder verworfen worden sei. Für den Verlauf jener Wochen sei es wichtig gewesen, dass Michail Gorbatschow keine Anstalten machte, dass SED-Regime zu retten.
Prof. Dr. Richard Schröder zitierte abschließend zahlreiche Losungen der Demonstranten. Diese hätten sich von Woche zu Woche geändert und schließlich sei aus „Wir sind das Volk“ „Wir sind ein Volk“ geworden.
Die über achtzig Interessierten erhielten wieder eine Geschichtsstunde aus erster Hand.
Von Bürgermeister Thomas Groll auf die Aussage Eberhard Aurichs „Das die DDR kein Unrechtsstaat gewesen sei“ angesprochen, stellte Schröder unmissverständlich fest, dass die DDR kein Rechtsstaat hätte sein wollen. Stasi und Partei hätten der Justiz klare Vorgaben gemacht.
Foto: Florian Lerchbacher