Am 16. Oktober fand eine weitere zeitgeschichtliche Veranstaltung statt. Diese Reihe hatte Bürgermeister Thomas Groll 2009 initiiert. In diesem Jahr standen die Verkündung des Grundgesetzes vor 75 Jahren und bedeutsame Gründerpersönlichkeiten der Bundesrepublik im Mittelpunkt der fünf Termine.
Nun sprach Prof. Dr. h.c. Roland Koch über Ludwig Erhard, den erfolgreichen Wirtschaftsminister der Adenauer-Zeit.
Koch gehörte von 1987-2020 dem Hessischen Landtag an und amtierte von 1999-2010 als Ministerpräsident. Er war Landesvorsitzender der CDU Hessen und stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Heute ist er u. a. Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, deren Ziele die Förderung freiheitlicher Grundsätze in Politik und Wirtschaft und die Stärkung der sozialen Marktwirtschaft sind.
Ludwig Erhard (1897-1977) war Professor der Wirtschaftswissenschaft. Konrad Adenauer berief ihn 1949 zum Bundeswirtschaftsminister und 1957 zum Vize-Kanzler. Beide Männer waren sich in Abneigung verbunden, wie Historiker belegt haben. Trotz des Widerstandes des Gründungskanzlers wurde Ludwig Erhard 1963 dessen Nachfolger, scheiterte aber bereits nach drei Jahren an der eigenen Partei, der CDU, und deren Koalitionspartner FDP.
Roland Koch dankte zu Beginn seines fesselnden einstündigen Vortrages zunächst Bürgermeister Thomas Groll für dessen Einladung. Dem langjährigen Werben habe er sich letztlich nicht entziehen wollen, da er die Veranstaltungsreihe auch als beispielhaft ansehe. „Wo gibt es das heute noch, dass man am Nachmittag vor 130 Interessierten über einen Mann wie Ludwig Erhard sprechen kann“, stellte der ehemalige Ministerpräsident fest. Er wünschte der Reihe langen Bestand und auch jüngere Zuhörer, denn es sei wichtig, gerade jungen Menschen etwas über unseren Staat und seine wichtigen Persönlichkeiten zu vermitteln.
Roland Koch berichtete, dass die Ludwig-Erhard-Stiftung in dessen Bonner Wohnhaus ihren Sitz habe und er als deren Vorsitzender am Schreibtisch des Gründers arbeiten dürfe. „Ludwig Erhard war nie ein typischer Politiker, zudem hasste er die Arbeit an Akten. Er wollte immer nach draußen, um den Menschen seine Vorstellungen von Politik zu vermitteln“, erläuterte der heutige erfolgreiche Rechtsanwalt Koch.
Ludwig Erhard habe die soziale Marktwirtschaft nicht erfunden und sich selbst nie als „Vater des Wirtschaftswunders“ angesehen, er habe aber in den Anfangsjahren der Bundesrepublik dafür gesorgt, dass diese Idee eine politische Mehrheit bekam und erfolgreich umgesetzt wurde.
Im Zusammenhang mit der Währungsreform, damals war Erhard Direktor des Wirtschaftsrates für die amerikanische und britische Besatzungszone, setzte er gegen den Widerstand der USA die Aufhebung der staatlichen Preisbindung durch. Dies, so der Referent, sei ein entscheidender Schritt zum Gelingen der Marktwirtschaft gewesen.
„Der Staat darf unterstützen, aber nicht bestimmen“, so Roland Koch. Zudem müsse dieser gegen Monopole und überbordende Bürokratie vorgehen – damals und heute.
Die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft hätten heute noch Gültigkeit, nur manche Politiker würden dies leider immer wieder einmal vergessen, stellte der ehemalige Spitzenpolitiker fest.
Er verstand es, in seinem Vortrag immer wieder Bezüge zur aktuellen Politik herzustellen und dezent die eine oder andere Spitze zu setzen.
Der Beifall der Besucher, darunter Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich und Staatsminister a.D. Dr. Christean Wagner, war ihm sicher.
Für die musikalische Umrahmung sorgte diesmal dankenswerterweise Torsten Naß, da das „Trio Semplice“ aus Krankheitsgründen absagen musste.