„Der Optimist hat nicht weniger oft unrecht als der Pessimist, aber er lebt froher.“
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
lassen Sie mich meine heutige Kolumne – natürlich – mit einem Gedanken zu den Starkregenereignissen vom letzten Mittwoch beginnen. Gemeinhin gilt Wasser als Quelle des Lebens. Wir müssen trinken, um zu leben. In den Kurorten setzt man auf die Kraft der Heilwässer. Gerne wagen wir einen Sprung in das kühle Nass – im nächsten Jahr wieder in unser dann saniertes Freibad. Ein russisches Sprichwort macht aber deutlich, dass Wasser eben nicht nur positive Seiten hat: „Dem Feuer und dem Wasser hat Gott den freien Willen gegeben.“ Naturereignisse wie Hochwasser an den großen Flüssen oder Starkregenereignissen kommen zumeist plötzlich und lassen sich kaum bändigen. Dann wird deutlich, welche Kraft die Naturgewalten haben. Wir mussten es 2007, 2011 oder am 17. Juni 2020 erleben. Leider. Mein Respekt gilt allen, die - obwohl z. T. selbst betroffen – Mittwochnacht anpackten, kurzentschlossen den Verkehr regelten, ihren Nachbarn halfen. Danke auch den Frauen und Männern der Freiwilligen Feuerwehren und dem Team vom Bauhof für ihren Einsatz. Uns alle eint sicher der Gedanke, dass wir möglichst lange auf überflutete Straßen und Keller verzichten können.
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Schwarzes Bärtchen und Melone, Spazierstock und Watschelgang in übergroßen Schuhen – die Markenzeichen von Charlie Chaplin (1889-1977) dürften den meisten Menschen auch heute noch vertraut sein. Der gebürtige Brite, der ab 1952 in der Schweiz lebte, weil man ihn in seiner seitherigen Wahlheimat USA ungerechtfertigter Weise der Nähe zum Kommunismus verdächtigte und ihm deshalb die Wiedereinreise verweigerte, war Schauspieler und Regisseur, Drehbuchautor und Komponist in einem. Unvergessen seine Auftritte als Tramp. Charlie Chaplins Filme faszinieren Millionen Menschen bis heute. Er war der erste Weltstar des Kinos und einer der einflussreichsten Komiker der Filmgeschichte. Zeitgeschichtlich bedeutsam ist sein 1940 gedrehter Film „Der große Diktator“. In der Satire auf Adolf Hitler spielt der 1975 von Queen Elizabeth II. zum Ritter Geschlagene Anton Hynkel, den Herrscher von Tomanien. Kritiker sprechen bis heute von einem „wahrlich herausragendes Werk eines großen Künstlers“. Charlie Chaplin, der 1928 in der Stummfilm-Komödie „Der Circus“ die Hauptrolle spielte, war zeitlebens ein Freund der Artisten, Tierlehrer und Clowns und besuchte Jahr für Jahr die Gastspiele des Schweizer Nationalcircus Gebr. Knie in seinem Wohnort Vevey. Der Circus Roncalli hat später übrigens ein Wort Chaplins zu seinem Motto auserkoren: „Jeder Tag an dem Du nicht lächelst ist ein verlorener Tag.“
Nicht dass Sie jetzt denken, ich wüste alles wie aus dem FF über diesen großen Künstler. Ich habe mir vielmehr die Zeit genommen und ein wenig gegoogelt. Den Anlass dafür boten meine beiden Damen. Leonie watschelte durch den Flur und ihre Mutter meinte lapidar: „Wie Charlie Chaplin“. Die Kleine schaute zunächst etwas verwundert und wollte dann wissen, wer das denn gewesen sei. Folglich musste ich also mein Wissen über diesen kleinen Großen etwas auffrischen.
Im Verlauf des Tages kamen wir dann auch noch auf zwei andere Komiker aus längst vergangenen Tagen zu sprechen –Oliver Hardy (1892-1957) und Stan Laurel (1890-1965). Der Amerikaner und der Brite, besser bekannt als „Dick und Doof“ spielten zusammen in 107 Filme. Schade, dass diese heute nur noch vereinzelt im Fernsehen gezeigt werden. Mancher sucht heute das Supertalent, Hardy und Laurel waren aber welche. Einer ihrer Filme hieß „In der Manege“. Die beiden spielten darin zwei unbeholfene Artisten.
Von Stan Laurel fand ich übrigens folgendes Zitat: „Wenn irgendjemand bei meiner Beerdigung ein langes Gesicht macht, dann rede ich nie wieder mit ihm.“ Humor hatte er, der Oscar-Preisträger von 1961.
Der Tochter habe ich übrigens versprochen, in den Sommerferien einmal einen Film von „Dick und Doof“ mit ihr anzusehen. Ich bin gespannt, ob sie mit dieser Art des Humors, über die ich vor vierzig Jahren herzhaft lachen konnte, etwas anzufangen weiß. Getreu dem Titel einer Samstagabendshow von Rudi Carrell werde ich mich überraschen lassen.
Ist es eigentlich Zufall, dass fast alle großen Komiker vergangener Jahrzehnte, wie eben auch Charlie Chaplin, Stan Laurel und Oliver Hardy, immer wieder den Weg zum Circus fanden? Ich glaube nein. Bis in die frühen 1980er Jahre hinein hatte der klassische Circus, dessen Wiege vor über 250 Jahren in England stand, ein ganz anderes Standing in unserer Gesellschaft. Bruce Low und später Freddy Quinn präsentierten „Circus, Circus“ im ZDF, in der ARD gab es zu Weihnachten „Stars in der Manege“ und den „Tele-Circus“ – und die Einschaltquoten waren enorm. Die Prominenten aus Showbusiness, Politik und Sport suchten die Nähe der Artisten und Circus-Direktoren und es gab ein Dutzend Groß-Circusse in Deutschland. Und heute? Das Circus-Festival in Monte Carlo ist zwar immer noch ein Treffpunkt vieler Stars, aber wenn das deutsche hierüber berichtet, werden die Tiervorführungen herausgeschnitten, ein Circus-Sterben hat vor Jahren eingesetzt und nur noch wenige Eltern besuchen mit ihren Kindern eine Vorstellung im bunten Circus-Zelt. Schade, schade, um dieses alte Kulturgut.
Ein Komödiant, ein Clown, war Charlie Rivel (1896-1983). Der Spanier trat bereits im Alter von drei Jahren im elterlichen Circus auf. 1910 lernte er Charlie Chaplin kennen, der ihn später zu seinem Künstlernamen inspirierte, und der Münchner Komiker Karl Valentin (1882-1948) sagte einmal über Rivel, dass dieser der einzige Mensch gewesen sei, der ihn zum Lachen gebracht habe. 1931 entstand aus einer Laune heraus der Ausruf „Akrobat - schööön!“, der zu Rivels Markenzeichen wurde. 1981 trat der wohl beste Clown aller Zeiten letztmals im Circus Krone-Bau in München auf. Mit dabei war damals sein Sohn Juanito (1922-2004), ebenfalls ein großer Spaßmacher in der Manege. Ihn durfte ich übrigens Ende der 1990er Jahre an gleicher Stelle erleben und war mit 3.000 Menschen gerührt, als auch er „Akrobat – schööön!“ ausrief.
Der stets markant geschminkte Charlie Rivel, der bei seinen Auftritten immer ein übergroßes rotes Trikot trug, begeisterte nicht nur die Menschen in den Circussen und Varietees, sondern formulierte auch kluge Gedanken. „Jeder Mensch ist ein Clown, aber nur die wenigsten haben den Mut, es auch zu zeigen“ lautet sein wohl bekanntestes Zitat.
Über ein anderes Wort dieser beeindruckenden Persönlichkeit möchte ich heute mit Ihnen nachdenken, denn dessen Kernaussage passt auch bestens zur gegenwärtigen Situation: „Der Optimist hat nicht weniger oft unrecht als der Pessimist, aber er lebt froher.“
Optimist und Pessimist unterscheiden sich vor allem darin, wie sie die Dinge ansehen, worauf sie ihr Augenmerk richten.
Pessimisten sehen beim Schweizer Käse nur die Löcher, Optimisten freuen sich auf den Genuss desselbigen.
Pessimisten haben ein halbleeres Glas vor sich, Optimisten hingegen ein halbvolles.
Pessimisten denken bei Sonnenschein, schon an das demnächst aufkommende schlechte Wetter, Optimisten wärmen sich an den Sonnenstrahlen.
Pessimisten ärgern sich beim Anblick einer Rose über die Dornen, Optimisten sehen die Schönheit der Königin der Blumen.
Pessimisten ärgern sich über das, was sie nicht haben, Optimisten freuen sich über die Dinge, die sie besitzen.
Betrachtet man es genau, dann haben beide Recht. Ein Schweizer Käse besteht nicht nur aus Käse, er hat auch viele Löcher. Es ist Ansichtssache, ob ein Glas halb voll oder eben halb leer ist. Die Rose hat nicht nur Blüten, sondern auch Dornen.
Auch wenn beide also Recht haben, so unterscheiden sie sich in einem wichtigen Punkt: Der Pessimist fühlt sich grundsätzlich schlecht, während der Optimist sich zumeist gut fühlt. Oder, um es nochmals mit den Worten von Charlie Rivel zu sagen: „Der Optimist hat nicht weniger oft unrecht als der Pessimist, aber er lebt froher.“
Optimist und Pessimist sehen zwar dasselbe, sie nehmen es aber verschieden war und reagieren völlig anders darauf.
Psychologen beschäftigen sich von Berufswegen mit der Frage, warum dies so ist. Ihre Antwort lautet: Beide sind von Erfahrungen geprägt. Pessimisten haben ihrem Gehirn beigebracht, vornehmlich auf das Negative zu schauen. Das Gehirn eines Optimisten hingegen macht diesem regelmäßig das Erfreuliche und Positive bewusst. Jeder von beiden hat also im Laufe der Zeit seine eigene Denkweise entwickelt.
Da wir Menschen also nicht als Pessimisten auf die Welt gekommen sind, sondern einige von uns gelernt haben, pessimistisch eingestellt zu sein, können wir – bei gutem Willen – auch lernen, optimistischer zu werden. Optimist zu sein, kann man üben, man muss es nur wollen.
Ich für mein Teil bekenne ich mich gerne dazu, Optimist zu sein. Es gibt immer Lösungen für die Herausforderungen, vor die wir gestellt werden. Nur liegen sie halt manchmal nicht gleich auf der Hand, sondern müssen von uns gesucht werden. Zu dieser Sichtweise passt ein Wort des chinesischen Philosophen Laotse, der im 6. Jahrhundert v. Chr. lebte: „Nur wer ein Ziel hat, findet den Weg.“ Was würde es nützen, in dieser krisenhaften Zeit zu resignieren? Unser kleiner Segler Neustadt muss durch die nun etwas unruhigere Zeit gesteuert werden. Mein Dank gilt allen aus Kommunalpolitik und Verwaltung, die mich bei dieser Aufgabe unterstützen.
Über Optimisten und Pessimisten gibt es natürlich unzählige Zitate. Ein besonders schönes stammt vom Schriftsteller Theodor Fontane (1819-1998), dem Autor von „Effi Briest“: „Der Optimist ist ein Mensch, der ein Dutzend Austern bestellt, in der Hoffnung, darin eine Perle zu finden um sie zu bezahlen.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor wenigen Tagen ebenfalls das Bild von Pessimist und Optimist aufgenommen und gesagt: „Wir müssen in diesen Wochen optimistisch, aber eben auch realistisch sein. Das Virus ist nicht weg, auch wenn wir es bisher gut eingedämmt haben. Wir müssen weiterhin vorsichtig sein, um gerade die Lage der Wirtschaft nicht noch mehr zu verschlechtern.“
Optimistisch macht uns, dass die Fallzahlen in Deutschland auf relativ niedrigem Niveau verharren. Als Realisten erkennen wir aber deutlich, dass die Gefahr durch das Corona-Virus nicht vorbei ist. Die Erkrankungen in einer Vielzahl von Fleischfabriken oder in Göttinger Hochhäusern sind der Beleg dafür.
Optimisten strahlen Lebensfreude aus. Das kann anstecken wirken. Markus Söder der bayerische Ministerpräsident hat diesen Ball kürzlich bei einer Pressekonferenz aufgenommen und davon gesprochen, dass die Lockerungen dieser Tage auch zur Lebensfreude der Menschen beitragen sollen und können, dies aber eben auch Vernunft jedes Einzelnen von uns voraussetzt. Er hat recht.
Bleiben Sie also optimistisch, vernünftig und gesund.
Thomas Groll
Bürgermeister