750 Jahre Neustadt - Würdevoll, schwungvoll, kurzweilig und fröhlich – Festakt am 5. Mai 2022
Am 5. Mai 1272 wurde „Nova Civitate“ – Neustadt – erstmals urkundlich erwähnt. Genau 750 Jahre später kamen rund 200 Gäste und über 100 Mitwirkende auf dem (bisherigen) Rathausplatz zu einem Festakt zusammen, den man mit den Adjektiven würdevoll, schwungvoll, kurzweilig und würdig treffend beschreibt.
Die historische Kulisse von Rathaus und Junker-Hansen-Turm sowie das Wetter trugen zum Gelingen der im Nachhinein vielfach gelobten Veranstaltung bei.
Gegen 18 Uhr zogen die Historische Bürgerwehr mit Biedermeierdamen, Junker Hans Julian Schratz und seine Burgfräulein Marlene Gnau und Marie Geus, Fahnenabordnungen von Vereinen aus Neustadt, Mengsberg und Momberg, Soldaten der Patenkompanie der Bundeswehr und Bürgermeister Thomas Groll, Stadtverordnetenvorsteher Franz-W. Michels und Erster Stadtrat Wolfram Ellenberg gemeinsam mit der Schirmherrin des Stadtjubiläums, Staatsministerin Angela Dorn, und dem Gießener Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich ein.
Unmittelbar danach erklang durch das Neustädter Blasorchester der von Christoph Jarkow komponierte Marsch „Ave Novam – Gruß an Neustadt“, die Majoretten begleiteten dies schwungvoll.
Die Begrüßung der Anwesenden übernahm dann der bekannte HR-Moderator und „Wetterfrosch“ Tim Frühling, der gekonnt durch den Abend führte und die Besucher mit den nötigen Informationen ausstattete.
Er hieß u.a. den Parlamentarischen Staatssekretär Sören Bartol MdB, Dr. Stefan Heck MdB, Dirk Bamberger MdL und den Ersten Kreisbeigeordneten Marian Zachow willkommen. Mit dabei waren auch der langjährige Bürgermeister Manfred Hoim, der ehemalige Kommandeur der Panzerbrigade 14 „Hessischer Löwe“ Dr. Klaus Wittmann sowie Bürgermeister der Nachbarkommunen, Vertreter aus Wirtschaft, Gewerbe und Verwaltung.
Mädchen und Jungen der vierten Klasse der Martin-von-Tours-Schule trugen unter Leitung von Daniela Schmittdiel gekonnt zwei Lieder vor, darunter, passend zur Europawoche des Landes Hessen, „Wir kleinen Europäer“. Dazu wunken sie mit Fahnen zahlreicher europäischer Länder von der Bühne ins Publikum und machten deutlich, dass auch in Neustadt Menschen aus vielen Nationen zusammenleben.
Nachdem Leonie Groll den Inhalt der seinerzeitigen Urkunde vortrug, berichteten Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse der Martin-von-Tours-Schule über den Schultag „einst und jetzt“ und trugen hierbei vier informative Szenen – Deutsches Kaiserreich, 1937, 70er Jahre und heute – vor. Zudem wurden Schulleiter Volker Schmidt und Bürgermeister Thomas Groll nach ihren Erwartungen an die Schule der Zukunft gefragt. Dabei sprach Groll den Ersten Kreisbeigeordneten direkt an und wünschte sich eine Sanierung der Turnhalle in der Querallee.
Der Festakt fand in der „Neustädter Burganlage“ statt, die auf die Grafen von Ziegenhain zurückgeht. Hans von Dörnberg ließ die Burg um 1480 zum Schloss umbauen. Später war es die Mainzer Amtskellerei und Sitz des hiesigen Amtsgerichts. Nach dem II. Weltkrieg wurden hier Flüchtlinge untergebracht. Seit 1952 – also vor 70 Jahren – ist das einstige Schloss nun das Rathaus. Zur Erinnerung an die ursprüngliche Nutzung erfolgte am Jubiläumsabend die Benennung in „Schlossplatz“. Diese nahmen Albert-Fredrick von Dörnberg, ein Nachfahre des Junker Hans, und Julian Schratz, der Neustadts Symbolfigur aktuell verkörpert, gemeinsam wahr.
Für Schwung auf der Bühne sorgten im Anschluss die Mädchen der Kolpingsternchen, die von Jessica Gehmlich-Rust und Heike Gieße trainiert werden.
Eigens zum Stadtjubiläum hatte der Schauspieler Jürgen-Helmut Keuchel vom Hessischen Landestheater Marburg ein „Neustadt-Gedicht“ verfasst, welches er gekonnt von der Rathaustreppe aus vortrug.
Nach einem weiteren Musikstück des Neustädter Blasorchesters hielt Bürgermeister Thomas Groll – erstmals mit der silbernen Amtskette der Neustädter Bürgermeister – die Festrede. Hierbei orientierte er sich am Motto des Jubiläums „Neustadt gestern – heute – morgen“ und betonte u. a. die Bedeutung einer aktiven Bürgergesellschaft für die Zukunft der Kommune. Zugleich verwies er auf die Bedeutung starker Städte und Gemeinden für ein funktionierendes Gemeinwesen. Wie bei einem Staffellauf überreiche in einer Kommune eine Generation die Verantwortung für die Heimatstadt an die nachfolgende. Der Bürgermeister zitierte Franz-Josef-Strauß, der einmal gesagt habe: „Dankbar rückwärts. Mutig vorwärts. Gläubig aufwärts.“ Diese Worte, so Groll, seien gut für ein Stadtjubiläum geeignet. Nachdem er an die allzu früh verstorbene Landrätin Kirsten Fründt erinnert hatte, die Neustadt immer sehr zugetan war schloss er mit dem Wunsch „Ad multos annos“ – auf viele weitere gute Jahre Neustadt.
Passend zur Weltlage trugen dann Ben Knop und Christian Keul vom Team des Hessischen Landestheaters Marburg „Imagine“, eine Hymne auf den Frieden (1971 erstmals von John Lennon gesungen) sowie „Happy Birthday“ vor. Intendantin Eva Lange gratulierte der Kommune ebenfalls zum Jubiläum und dankte dem Bürgermeister für die stete Bereitschaft Kultur im ländlichen Raum zu ermöglichen.
Angela Dorn, hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, bedankte sich für die Ehre der Schirmherrschaft, die sie gerne übernommen habe. Sie beschrieb in ihrem Grußwort Neustadt als eine lebendige Kommune, die Bewährtes weitergebe und immer wieder auch Neues wage. Die Staatsministerin überreichte Bürgermeister Groll die Freiherr-vom-Stein-Urkunde des Landes und hatte auch zwei Förderbescheide dabei. Alexander Milewski erhielt eine Zuwendung für das vom Bürgerparkverein unterstützte Artistenfestival „Goldener Biber“ im Oktober und Speckswinkels Ortsvorsteher Martin Naumann bekam Unterstützung für die zum 800-jährigen Ortsjubiläum 2023 geplante „Zollchronik“ von Herbert Losekam.
Erster Kreisbeigeordneter Marian Zachow sah Neustadt als eine aktive, der Zukunft zugewandte Kommune und verlieh stellvertretend an Bürgermeister Thomas Groll die Ehrenmedaille des Landkreises Marburg-Biedenkopf.
Die Darstellerinnen und Darsteller des Musicals „Nova Civitas“ aus der Feder von Christiane Krapp präsentierten mit großer Spiel- und Sangesfreude eine Szene aus ihrem Repertoire. Passend natürlich die Beglaubigung der Urkunde vom 5. Mai 1272 durch Schultheiß Hermann von Nova Civitate.
Im Laufe der Jahrhunderte kamen immer wieder Menschen nach Neustadt und blieben. Sie alle prägten diese Stadt mit. Nach dem II. Weltkrieg kamen Flüchtlinge und Heimatvertriebene aus den deutschen Ostgebieten und der sowjetischen Besatzungszone (DDR), in den 1960er und 70er Jahren kamen „Gastarbeiter“ aus der Türkei, Spanien und Italien. Anfang der 1990er Spätaussiedler aus den Nachfolgestaaten der UdSSR und Polen. Vor über siebzig Jahren siedelten sich dann hier die Fa. ERGEE (Strümpfe), Will (Zangen) und FELO (Schraubenzieher) an. Ihre Gründer kamen aus Sachsen und Thüringen. Heute besteht nur noch die Fa. FELO, die zum Würth-Konzern gehört. Neustadt ist tatsächlich die „Hauptstadt der Schraubendreher“.
Mit der Familie Rößler, den Inhabern der ERGEE-Werke, kamen auch viele Facharbeiter und deren Familien nach Neustadt. Einer, der als Junge aus Gelenau im Erzgebirge nach Neustadt kam, ist Joachim Wermann. Er hält nach wie vor regen Kontakt in seine Heimat. Dank ihm nahm der Bürgermeister aus Gelenau, Knut Schreiter, ebenfalls am Festakt teil. Seine Kommune wird 2023 750 Jahre alt. Joachim Wermann hatte ein Geburtstagsgedicht über Neustadt und Gelenau verfasst.
Die Prinzengarde des VfL Neustadt – Leitung Alexandra Geus und Daniele Keßler-Lebendig – präsentierte den Anwesenden dann einen Gardetanz und gab damit Zeugnis für die Karnevalstradition Neustadts ab.
Zum Abschluss dankte Bürgermeister Thomas Groll nach knapp zwei Stunden Moderator Tim Frühling, allen Mitwirkenden und den Sponsoren. Er vergaß hierbei auch nicht Ton & Technik, Verwaltung und Bauhof sowie das Team von „Happels Imbiss“, die ebenfalls alle zum Gelingen des Abends beigetragen hatten. „Diesen Abend haben wir nie geprobt. Es war toll und hat gezeigt, welches Potential in Neustadt steckt“, so der Bürgermeister.
Mit dem Eintrag der Ehrengäste in das Goldene Buch der Kommune endete ein Festakt, der lange in Erinnerung bleiben dürfte.