Zukunftswerkstatt Neustadt 2030 - Hingehen – mitmachen - mitreden – mitgestalten
Ursprünglich war der Start der Zukunftswerkstatt Neustadt 2030 für das Frühjahr 2020 geplant. Aber wie bei so vielem anderen machte Corona auch hier einen Strich durch die Planungen der Initiatoren, Quartiersmanagerin Svetlana Nerenberg und Bürgermeister Thomas Groll.
Dreimal wurde der Termin verschoben, nun war es endlich (!) soweit, am 25. Oktober 2021 fand die Auftaktveranstaltung zu dieser „Ideenschmiede“ im Kultur- und Bürgerzentrum statt. Ziel der Zukunftswerkstatt ist es, dass interessierte Einwohnerinnen und Einwohner sich mit Unterstützung von Moderatoren und nach einer thematischen Einführung durch den Bürgermeister an drei Samstagen über die Weiterentwicklung „ihrer“ Heimatstadt nachdenken. Hierbei geht es dann nicht nur über die Kernstadt, sondern auch die Stadtteile. Bei der Zukunftswerkstatt kann jede/r kommen und jeder Vorschlag wird protokolliert. Danach werden die Veranstaltungsergebnisse ausgewertet, von der Kommunalpolitik bewertet und mit den Teilnehmern besprochen.
Uta Dithmar von der ALEA GmbH hatte die Moderation des Abends übernommen und konnte rund sechzig Interessierte im KuBüZ begrüßen. Die „Mischung“ der Anwesenden war gut: Jung und Alt, Frauen und Männer, Vereinsvertreter, Kommunalpolitiker und Menschen ohne Amt und Mandat. Dithmar lud alle ein, sich aktiv einzubringen und zu den einzelnen Veranstaltungen gerne noch jemanden mitzubringen.
Bürgermeister Thomas Groll ordnete in seinem Statement die bisherigen Aktivitäten der Kommune „in Sachen Zukunft“ ein. „Seit 2018 und wohl noch bis 2025 investieren wir in Steine, das sind aber zugleich Ausgaben für die Menschen. Wir schaffen eine moderne Infrastruktur für eine attraktive Wohngemeinde“, so Groll. Der Bürgermeister betonte, dass man Zukunft dann am besten gestalten könne, wenn man sich selbst einbringe. Er sagte verbindlich zu, dass Ideen aus der Zukunftswerkstatt natürlich auch umgesetzt werden. „Hier wird nicht für den Papierkorb gearbeitet. Letztlich entscheidet die Politik, wer aber wolle sich guten Ideen verschließen“, so Groll.
Der Bürgermeister warb dafür, dass man zu „Ja-Sagern“ werde und bezog sich dabei auf eine Werbeanzeige für das „Handelsblatt“: Ja zur Zukunft, ja zur Nachhaltigkeit, ja zum um die Ecke denken, ja zum Scheitern und neuanfangen, …
Krankheitsbedingt fehlte an diesem Abend nicht nur Svetlana Nerenberg, sondern auch Landrätin Kirsten Fründt. Diese hatte die ehrenamtliche Kreisbeigeordnete Sigrid Waldheim als Vertretung geschickt. Die Kommunalpolitikerin aus Stadtallendorf lobte die Aktivitäten der Stadt Neustadt. „Hier wird über das Heute hinausgeschaut, hier wird über die Zukunft nachgedacht. Das sind Aktivitäten die wir im Kreis positiv wahrnehmen und gerne unterstützen“, hob Waldheim hervor. Um auch die Kinder- und Jugendarbeit in diesen Prozess einbinden zu können, hatte sie eine finanzielle Zuwendung für die Kommune dabei.
Das erste Impulsreferat des Abends hielt Dr. Lars Witteck, von 2009-2015 Regierungspräsident in Gießen und nun Vorstandsmitglied der Volksbank Mittelhessen. Ute Dithmar stellte ihn als jemanden vor, dem die Zukunft des ländlichen Raumes von jeher wichtig sei.
Dr. Witteck zeigte sich über Neustadts bestens informiert und konnte in seinen lebhaften Vortrag immer wieder positive Beispiele aus der Kommune einbinden. Er zeigte sich angetan von den örtlichen Aktivitäten. „Sie sind weiter als andere, dürfen aber nicht nachlassen, sich neuen Themen zu stellen“, stellte er fest.
Für die Europäische Union, so der Referent, spiele das Leben zukünftig fast ausschließlich in Monopolregionen wie Frankfurt-RheinMain. Natürlich handele es sich bei der Mainmetropole um „den“ Wirtschaftsmotor Hessens, natürlich sei die Geburtsstadt Goethes für eine lebendige Kulturszene bekannt, aber dass sei dann doch zu wenig. Auch der ländliche Raum, auch Kommunen von der Größe Neustadts, hätten eine Aufgabe und Zukunft. Wichtig sei es aber, dass die Verantwortlichen in der Politik hier die Weichen frühzeitig und richtigstellten.
Als wichtige Standortfaktoren nannte der Kenner Mittelhessens ein schnelles DSL, einen effektiven öffentlichen Personennachverkehr, die Nutzung erneuerbarer Energien und einen gerechten Kommunalen Finanzausgleich durch das Land.
Dr. Witteck warb dafür, Menschen für Projektarbeit zu gewinnen. Aufgabe der Kommunalpolitik sei es, Rahmenbedingungen zu schaffen und Menschen für etwas zu begeistern. Wenn dies gegeben sei, dann werde man aktive Einwohnerinnen und Einwohner finden. Der ehemalige Regierungspräsident wünschte Neustadt viele gute Ideen und eine erfolgreiche Umsetzung der Ergebnisse der Zukunftswerkstatt.
Aus Paderborn war der Zukunftsforscher Dr. Alexander Fink nach Neustadt gekommen. Mit seinem Unternehmen entwickelt er Ideen „für das Morgen“ und ist als Berater für Unternehmen und Kommunen tätig. Dr. Fink ist Autor mehrerer Bücher und verstand es ebenfalls, die Anwesenden auf die Thematik positiv einzustimmen.
„Zukunft ist anders, ungewiss, gestaltbar und dynamisch“, so lautete sein Kernsatz, denn er durch zahlreiche Beispiele untermauerte. Der Experte warb dafür, die Zukunft nicht bloß auf sich zukommen zu lassen, sondern sie zu gestalten. „Gehen sie offen damit um, lassen sie Unschärfen zu und wagen sie Experimente“, so sein Rat.
Der ländliche Raum biete viele Vorteile, dass habe man während der Corona-Pandemie immer wieder erfahren können. „Die Politik“ müsse aber alles dafür tun, dass gerade junge Menschen „in der Provinz“ gleichwertige Lebensbedingungen vorfänden. Dr. Fink knüpfte mit dieser Feststellung an seinen Vorredner an.
Beide Impulsreferate ergänzten sich und boten einen guten Einstieg in das Thema.
Aufmerksam verfolgt wurde auch das dritte Statement des Abends. Es stammte von Lisa Gensler. Aufgewachsen in Wasenberg hat sie „nach“ Neustadt geheiratet und lebt hier mit ihrem Ehemann und den beiden Töchtern. Sie gehört zu den Initiatoren des Waldkindergartens.
Früher habe sie Neustadt als langweilig empfunden, so Lisa Gensler, aber es habe sich viel getan. Als Beispiele nannte sie das Betreuungsangebot, die Unterstützung der Vereine und die ausgebauten kulturellen Aktivitäten. Sie wolle mit ihrem Beitrag auch andere motivieren, sich einzubringen.
Als Zukunftsthemen nannte sie u.a. den Fortbestand eines regen Vereinslebens, eine attraktive Innenstadt mit einem Café, Kultur auch für Jugendliche und ein selbstbestimmtes älter werden vor Ort.
Ihre Worte untermauerte sie treffend mit einer Postkarte, auf der zu lesen stand:
„Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst aktiv zu werden, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten.“ (Albert Einstein)
Aus den Rückmeldungen wurde deutlich, dass der Start der Zukunftswerkstatt Neustadt 2030 gelungen war, nun gilt es, die drei Thementage mit Leben zu füllen. Diese finden jeweils von 10-16 Uhr im Kultur- und Bürgerzentrum statt. Für Kinderbetreuung ist gesorgt.
Samstag, den 20. November 2021
Samstag, den 27. November 2021
Samstag, den 11. Dezember 2021
Interessierte können an einer oder auch an mehreren Veranstaltungen teilnehmen.
Fotos: Florian Lerchbacher