1.000 Worte – 2 Gedanken
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Sonntagnachmittag, 16.00 Uhr. Ein kleiner Spaziergang bei schönem Wetter liegt hinter uns. Der leckere selbstgebackene Kuchen von Mama und Tochter ist verspeist. Das letzte Rennen einer für uns Deutsche enttäuschenden Biathlon-Weltmeisterschaft endete gerade. Wir ärgern uns aber nicht allzu lange über die Fehlschüsse von Denise Herrmann, Benedikt Doll & Co., sondern freuen uns immer noch über einen tollen Sieg der Eintracht am Samstag gegen die Bayern. Das Team vom Main ist jetzt Weltpokalsiegerbesieger.
Zeit also für die neue Kolumne. Ich bin später dran, als in den letzten Wochen. Der Grund ist leider einfach: Mir fehlt die zündende Idee. Nach längerem Überlegen fällt nicht der Groschen, sondern folgender Satz: Nach einem Jahr ist es Zeit zum Aufhören.
Daraufhin kam prompt die Antwort aus dem Kinderzimmer (Darf man das zum Zimmer einer fast zehn Jahre alten „kleinen Dame“ überhaupt noch sagen?): „Papa, das geht nicht. Corona ist doch immer noch da. Du musst weiterschreiben!“
Gesagt, getan. Denn wie hat schon der US-amerikanische Schauspieler Humphrey Bogart (1899-1957) gesagt: „Der kluge Mann widerspricht nie einer Frau.“ Der Satz des 1999 vom American Film Institute zum größten männlichen amerikanischen Filmstar aller Zeiten gewählten Oscar-Preisträgers geht allerdings noch weiter: „Er wartet, bis sie es selbst tut.“
Also hieß es, erneut Ideen zu sammeln. Zur Hilfe kamen mir dann die RTL-Abendnachrichten.
Da gab es zunächst einmal positive Nachrichten: Biontech-Impfstoff schützt zu 93 % vor einer Covid-19-Erkrankung. Zu 90 % infizieren die Geimpften auch keine anderen Menschen mehr. Der Impfstoff wirkt zu 89 % gegen die britische Mutation des Virus. Zahlen, die Zuversicht verbreiten.
Ich hoffe, dass auch bald vergleichbare Erhebungen für Astrazeneca vorliegen und diese dann belegen, dass dieser Impfstoff viel besser ist als sein momentaner Ruf. Sollte dem so sein, dann müssen auch rasch jüngere Menschen geimpft werden, denn dann können sie Corona kaum noch weiterverbreiten – in der Schule, der Universität oder am Arbeitsplatz.
Aber es gab auch wieder negative Nachrichten: Die Inzidenzzahlen steigen an. Noch leicht, aber dennoch erkennbar. Experten halten die Schulöffnungen für ein, zwei Wochen zu früh. In Heidelberg, Köln oder Düsseldorf sind scheinbar Tausende unterwegs und Abstand & Maske scheinen in den Großstädten Fremdwörter zu sein.
Ja, es war ein schöner Tag. Die Sonne schien und ließ die kalten winterlichen Temperaturen der vergangenen Woche vergessen. Dass man da nach draußen will, ist völlig verständlich. Aber können wir es uns gegenwärtig schon leisten, dabei die AHAL-Regeln ad acta zu legen? Nein! Wir müssen vielmehr weiterhin mit Vorsicht unterwegs sein.
Halten wir uns – bitte! – trotz allem verständlichen Drang nach Öffnung und gewohnten Freiheiten an ein Wort des griechischen Tragödiendichters Euripides (480-407 v. Chr): „Klug ist, wer ruhig sich verhält zur rechten Zeit; und diese Vorsicht ist es, die den Mann bewährt.“
Nun bin ich ja prinzipiell dagegen, Zitate vergangener Jahrhunderte oder Jahrzehnte umzuformulieren, hier darf man aber sicherlich einmal gendern (auf neudeutsch: die Berücksichtigung des Geschlechter-Aspekts) und dem Ausspruch des weisen Mannes „… und der Frau“ hinzufügen.
Der Chef der hessischen Staatskanzlei Axel Wintermeyer warnte dieser Tage vor zu schnellen und weitgehenden Öffnungsschritten aus dem Lockdown. Unsere Hauptaufgabe, so der Minister, sei es, eine dritte große Welle, die die bisher erzielten Erfolge zunichtemache, zu verhindern. Zugleich sprach er sich für konkrete Öffnungsperspektiven, aber gegen feste Daten aus. In diesem Zusammenhang nannte er u. a. für den Einzelhandel das Konzept des „Click-and-Meet“, bei dem nach vorheriger Terminvereinbarung auch eine Anprobe oder eine Begutachtung vor Ort stattfinden könne. Ein solch geordneter Zugang zu den Geschäften sei besser, als wenn hunderte vor den Warenhäusern stünden.
Eine Idee, die ich für den Einzelhandel für sehr gut halte. Infektionsschutz und Pragmatismus müssen eben kein Widerspruch sein.
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Sicher kennen Sie die Geschichte von David und Goliath aus dem Alten Testament. Im Zusammenhang mit der Erwählung Davids zum zukünftigen König von Israel erzählt das 1. Buch Samuel vom Zweikampf des jungen David gegen einen riesigen Krieger der Philister, Im Vertrauen auf Gottes Hilfe tritt der König dem gewaltigen Gegner entgegen und kann ihn mit einer Steinschleuder besiegen.
Lukas Cranach der Ältere (1472-1553) schuf übrigens hierzu um 1540 ein berühmtes Gemälde, das heute noch im Jagdschloss Grunewald in Berlin gezeigt wird.
Wie komme ich auf die Legende von David und Goliath?
Zum einen fällt sie mir wegen des bereits erwähnten Bundesligaspieles zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München ein, zum anderen passt ihre Aussage auch auf die gegenwärtige, uns alle herausfordernde Corona-Pandemie:
Da ist zunächst einmal ein übermächtiger scheinender Gegner: in der Geschichte aus dem Alten Testament, beim Fußballspiel oder ein Virus, das die Welt durcheinanderbringt.
Trotzdem gibt man nicht klein bei, sondern denkt nach und stellt sich der Herausforderung:
David tut dies, das tolle Team von Adi Hütter spielt die Münchner eine Halbzeit an die Wand und wir alle, die wir auf eine bessere Zeit hoffen.
Gehen wir es entschlossen und geschlossen an.
Bleiben Sie weiterhin besonnen und gesund.
Thomas Groll
Bürgermeister