1.000 Worte – 2 Gedanken
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
in diesen Monaten der Corona-Pandemie, die ja nun bereits ein ganzes Jahr währt, wenden sich auch andere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ebenso wie ich regelmäßig an die Einwohnerinnen und Einwohner ihrer Städte und Gemeinden.
Uns geht es dabei darum, zu informieren, um Verständnis für beschlossene Maßnahmen des Bundes und der Länder zu werben und vor allen Dingen wollen wir den Leserinnen und Lesern unserer Texte Mut zusprechen in dieser für uns alle herausfordernden Zeit.
Wie hat doch der Schriftsteller und Dichter Theodor Fontane (1819-1898) so treffend festgestellt: „Am Mute hängt der Erfolg.“
Passend dazu ein Ausspruch, den Bayerns Ministerpräsident Markus Söder dieser Tage getätigt hat: „Zumachen erfordert Mut, Öffnen erfordert Klugheit.“ Den Mut haben die Verantwortlichen bewiesen und der deutliche Rückgang bei den aktuellen Inzidenzzahlen gibt ihnen Recht. Nun wird es entscheidend auf deren Klugheit ankommen, denn die Menschen ersehnen dringend weitere Lockerungen, aber die Politik muss bei der Entscheidung darüber natürlich auch die weitere Entwicklung der Fallzahlen und der Mutationen im Blick haben.
Die katholischen Bischöfe haben nicht nur ein Wappen, sondern auch einen Wahlspruch. Der ehemalige Oberhirte der Diözese Fulda Heinz-Josef Algermissen stellte sein Wirken beispielsweise unter ein Wort aus dem 2. Paulusbrief: Thesaurus in vasis fictilibus (Schatz in zerbrechlichen Gefäßen). Ein Bild, das in meinen Augen gut auf die gegenwärtige Situation passt.
Ja, wir haben in den letzten Wochen Erfolge erzielt.
Ja, wir sind auf einem guten Weg.
Nein, Corona ist noch lange nicht besiegt. Der letzte Herbst hat leider gezeigt, wie schnell sich die Lage wieder verschlechtern kann, wenn wir es „einfach laufen lassen“.
Ein Schatz in zerbrechlichen Gefäßen …
Halten wir uns daher bitte alle an ein Wort des großen englischen Dramatikers William Shakespeare (1564-1616): „Vorsicht ist ein besserer Soldat als Übereilung.“
Mir ist voll und ganz bewusst, dass ein solcher Satz leicht geschrieben oder ausgesprochen ist und dass es viele unter uns gibt, die zu Recht aus finanziellen und sozialen Gründen auf weitere Öffnungsschritte warten. Es ist aber zugleich meine feste Überzeugung, dass gegenwärtig eine Politik der kleinen Schritte besser ist, ist ein ständiges „rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“.
Wenn man sich – wie ich – Woche für Woche an die Leserschaft des „Mitteilungsblattes“ wendet, dann fällt einem nicht immer etwas Interessantes und damit Lesenswertes ein und auch Leonie gibt nicht immer ein passendes Stichwort für eine kleine Geschichte. Umso dankbarer bin ich dafür, wenn ich bei einem Blick ins Internet Anregungen finde.
Dieser Tage schaute ich einmal auf www.osthessen-news.de nach. Unter der Überschrift „Gemeinsam sind wir stark“ veröffentlichten dort die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Städte und Gemeinden des Landkreises Fulda gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Domstadt, Dr. Heiko Wingenfeld, Landrat Bernd Woide und dem Ersten Kreisbeigeordneten Frederik Schmitt einen Dankesbrief an die Einwohnerinnen und Einwohner des osthessischen Landkreises.
Diesen Text fand ich sehr gelungen und möchte ihn daher nachfolgend abdrucken, da der Inhalt auch auf unsere Heimatstadt passt.
„Seit einem Jahr lebt die Welt nun schon mit Corona. Seit einem Jahr befinden sich die Menschen in einem Ausnahmezustand, den niemand für möglich gehalten hätte. Die Pandemie hat alle Lebensbereiche erfasst, aber trotz aller persönlichen und gesellschaftlichen Krisen und Konflikte zu einem spürbaren Zusammenhalt geführt. Dieses Miteinander und Engagement erleben wir auch in unserer Region. Wir kennen in jeder unserer Gemeinden unzählige Beispiele dafür, wie sich Bürgerinnen und Bürger untereinander helfen, wie sie Älteren beistehen, Familien behilflich sind, als Impflotsten bereitstehen, geschlossene Geschäfte mit Gutschein-Einkäufen unterstützten, Gaststätten und Restaurants durch Außer-Haus-Bestellungen stärken – oder einfach einsamen Mitbürgern Zeit widmen.
Das diese Bindungen bestehen und funktionieren, ist ein großes Glück und das Fundament einer stabilen Gemeinschaft. Für dieses Miteinander, das viele Bürgerinnen und Bürger so selbstverständlich leben, danken wir ganz herzlich. Große Dankbarkeit gilt darüber hinaus auch den vielen Menschen, die sich in dieser Zeit voller schwieriger Aufgaben mit aller Kraft in Praxen und Krankenhäusern, in Senioreneinrichtungen, in Hospizen und auf Palliativstationen, in mobilen Diensten, im häuslichen Einsatz, in Rettungsdienstorganisationen, in Testzentren, im Gesundheitsamt, in den Gemeindeverwaltungen, Kindertagesstätten und Schulen, in Beratungsstellen oder im Impfzentrum einsetzen. Wir danken allen Ehrenamtlichen und den vielen Freiwilligen, die zum Teil ihren Ruhestand unterbrochen haben, ihre Erfahrung einbringen und zupacken, wo es nötig ist. Und wir danken den Eltern und Großeltern, die sich mit großem Engagement neben den täglichen Herausforderungen nun dem Home-Schooling widmen.
Dankbar sind wir allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich schon bislang aktiv daran beteiligen, dass wir alle diese schwierige Phase so gut es geht bewältigen. Bitte tun Sie das auch weiterhin, denn die Herausforderungen sind immer noch groß. Tragen Sie weiterhin Schutzmasken, halten Sie Abstand, beherzigen Sie die Kontaktbeschränkungen und Hygieneregeln. Dieses Jahr hat uns gezeigt: Allein kann niemand diese Pandemie bewältigen. Aber jeder Einzelne ist entscheidend dafür, wie stark wir als Gemeinschaft sind.“
Verfolgte man am letzten Donnerstag nach dem Treffen der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten die Meldungen in den Medien, könnte man denken, die Verantwortlichen seien angetreten, die Menschen mit ihren Beschlüssen maximal zu ärgern. Man habe mehr erwartet als nur einen frischen Haarschnitt oder „die Entscheidungen sind verstörend und verheerend" sind nur zwei Urteile, die man nach dem letzten Corona-Gipfel hören oder lesen könnte.
Geschimpft wird in diesen Tagen viel. Politiker wettern gegen andere Politiker und einige Bürger, die glauben, eine medizinische Fachausbildung sei nicht viel mehr als das Ansehen eines You tube-Videos, wissen sowieso alles besser. Es werden Lockerungen der Maßnahmen gefordert, weil man des ganzen langsam überdrüssig sei. Man wolle endlich wieder Freunde treffen und zur Normalität zurückkehren. Es reiche schließlich jetzt doch auch nach gut einem Jahr Zwangspause.
Ein Kommentar der osthessen-news-Redaktion verstand die fortwährende Kritik nicht ganz und brachte sie mit den anstehenden Wahlen in Verbindung. „Wenn sich jetzt, in Zeiten von Corona-Mutationen und damit verbundenen Unsicherheiten Politiker medienwirksam vor die Kameras stellen, um möglichst schnell und tunlichst viele Lockerungen zu fordern, drängt sich die Frage auf, ob dies tatsächlich nur geschieht, um die Stimmen derjenigen einzufangen, die unzufrieden sind.
Es könnte ein Wahlkampfbeitrag sein, der Leben kostet. Denn, so hart es auch ist: Corona verschwindet nicht, nur weil uns zuhause langweilig ist, unsere Kinder nicht mit 30 Klassenkameraden in einem Unterrichtsraum sitzen können und leider auch nicht, obwohl manche geschäftliche Existenz gerade auf der Kippe steht. Das, was um uns herum geschieht, ist tragisch. Aber es ist genau so, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwochabend feststellte: "Es mag ja sein, dass es Ihnen nicht gefällt, aber wir müssen mit der Realität leben und Antworten darauf finden." Die Pandemie ist da – und nein, die Regierung ist nicht daran schuld!
Es ist unverantwortlich, Lockerungen zu fordern, während in anderen Ländern der Welt ausgesucht werden muss, wer noch im Krankenhaus behandelt werden kann – und wer eben nicht. Im Klartext: wer weiterleben darf, und wer stirbt. Die Bundesregierung hat mit Sicherheit Fehler gemacht, zum Beispiel auch indem sie zu spät zu reagierte. Sei es bei den vorausgegangenen Einschränkungen oder bei der Beschaffung eines Impfstoffes. Jetzt ist es, wie es ist. Es hilft kein Zetern und kein Klagen, kein was wäre, wenn. Die Pandemie selbst hat die Regierung nicht zu verantworten - auch nicht, wenn das einige schon unterstellen.
Natürlich ist es wünschenswert und wichtig, dass die vom Bund versprochenen finanziellen Hilfen endlich dort ankommen, wo sie dringend notwendig sind. Selbstverständlich wäre es der lang ersehnte Lichtblick, wenn jedem, der sich impfen lassen möchte, bereits in den nächsten Wochen ein Impfangebot gemacht werden könnte. Aber so bitter es ist: weder wir noch die Bundesregierung können das verdammte Virus in Luft auflösen.
Falsche Versprechungen oder irreales Wunschdenken sind aber definitiv keine Lösung – sondern kosten schlimmstenfalls viele Menschenleben.“
Diesen Worten vermag ich voll und ganz zuzustimmen.
Bleiben Sie besonnen!
Thomas Groll
Bürgermeister