Positiv denken – auch in Krisenzeiten.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
normalerweise schreibe ich im März bereits die Texte für die Kirmes-Festschrift und bin dann Anfang Mai damit beschäftigt, den vom Team der Fa. Henrich-Druck erstellten Entwurf Korrektur zu lesen, denn in der Woche nach Pfingsten geht der Rummel bekanntermaßen los und vierzehn Tage vorher soll das Heftchen in den Briefkästen sein.
In diesem Jahr hätten wir vom 4.-8. Juni die 516. Neustädter Trinitatis-Kirmes gefeiert.
Die Kleinen wären dann in der „Lehmkaute“ mit dem Kinderkarussell oder dem „Babyflug“ gefahren, die Jugendlichen (und nicht nur die) mit dem „Break Dancer“ oder der „Berg-und-Talbahn“ und vorrangig die Älteren stünden auf „einen Schoppen“ (oder auch zwei?) an der Theke und beim Bierpilz zusammen. Höhepunkt des Festes wäre sicherlich erneut der bunte Festzug am Sonntag gewesen, den zahlreiche Vereine und Gruppen immer wieder mit vielen tollen Ideen gestalten.
Aber 2020 ist bekanntermaßen nichts normal. Leider fällt die Kirmes in diesem Jahr wie so viele andere sportliche und kulturelle Veranstaltungen unserer Vereine und der Kommune der Corona-Pandemie zum Opfer. Seit der Weihe der katholischen Pfarrkirche vor über fünfhundert Jahren stellt dies zumindest in Friedenszeiten ein Novum dar, auf welches wir zweifellos alle gerne verzichtet hätten.
In diesem Zusammenhang finde ich den Gedanken von Pfarrer Andreas Rhiel, am Dreifaltigkeitssonntag einen Gottesdienst im Freien zu feiern, und damit an den Ursprung des Festes zu erinnern, gut. Wenn sich auch nur einhundert Personen auf dem Gelände selbst versammeln dürfen, so wird doch dadurch der seit 1504 währende „Neustädter Staffellauf“, die Weitergabe der Kirmestradition von Generation zu Generation, nicht unterbrochen und in der Chronik findet sich später einmal nicht ein gänzlich weißes Blatt für 2020.
Meine Gedanken sind beim Schreiben dieser Zeilen auch bei der Festwirtsfamilie Ahlendorf, dem Generalpächter Konrad Ruppert und den anderen Schaustellern. Zum größten Teil sind sie seit den Weihnachtsmärkten 2019 ohne Einnahmen. Ich wünsche mir sehr, dass sie durch diese schwere Zeit kommen und wir uns im nächsten Jahr zur Kirmes wiedersehen. Wir werden dann das Standgeld deutlich absenken, um ihnen so unsere Solidarität zu zeigen. Omas und Opas sollten übrigens das diesjährige Kirmesgeld beiseitelegen, damit die Enkel 2021 doppelt so viel für die Fahrgeschäfte oder die Losbude ausgeben können, was dann ja auch ein Akt der Solidarität wäre.
Unter welchen Rahmenbedingungen wir die 517. Trinitatis--Kirmes oder unser Stadtjubiläum Neustadt750 im Jahre 2022 feiern können, wissen wir heute zwar noch nicht, dass wir aber wieder Gemeinschaft erleben und fröhlich zusammen kommen wollen, dieser Wunsch vereint uns sicherlich alle.
Der Auftakt zu unserem Heimatfest wäre am Donnerstag, dem 4. Juni, auf dem Marktplatz vor der historischen Kulissen von Stadtpfarrkirche und Historischem Rathaus mit den traditionellen Kirmesbestandteilen Fassanstich, Einführung des Junker Hans und der Burgfräulein und Neubürgertrunk gewesen.
An diesem Abend hätte einer der Anwesenden sich wieder etwas Kirmesgeld verdienen können. Notwendig hierfür wäre „nur“ die Beantwortung der von Thomas Schmid, dem Spiritus Rector der Neubürger, gestellten 10 Euro-Frage gewesen. Aber auch dieses kleine Quiz fällt 2020 ins Wasser. Vielleicht gibt es dann ja im kommenden Jahr, entsprechend dem „Ansparvorschlag“ für das Kirmesgeld, 20 Euro vom „Doc“ zu gewinnen…
Ersatzweise möchte ich Ihnen heute eine Frage, allerdings ohne Gewinnmöglichkeit, stellen: Kennen Sie Gerda Johanna Werner?
Nein? Nie gehört? Mit dem Smartphone googeln zählt übrigens nicht, denn das wäre zu einfach.
Ein erster Hinweis: Die Dame wurde 1914 geboren und verstarb 2004 im Alter von neunzig Jahren. Sie verbrachte ihr Leben im Rhein-Main-Gebiet.
Noch keine Idee? Also ein zweiter Hinweis: Gerda Johanna Werner war Malerin und Kunstlehrerin. Sie erreichte bereits zu Lebzeiten etwas, was bisher keiner anderen Frau in Deutschland zuteilwurde. Trotzdem wurde sie der Öffentlichkeit erst Ende der 1980er Jahre durch einen Besuch bei „Wetten dass“ bekannt. Na, ist der Groschen gefallen?
Ein allerletzter Hinweis noch: Das Bildnis der Dame wurde zwischen 1949 und 2001 über 2 Milliarden Mal gedruckt, äh geprägt. Fast jeder, der älter als zwanzig Jahre ist, dürfte das Bildnis von Gerda Johanna Werner mehr als einmal betrachtet haben.
Richtig: Gerda Johanna Werner ist jene Frau, die auf dem 50-Pfennig-Stück abgebildet war, der optisch beliebtesten DM-Münze, die bis zur Einführung des Euro 2002 jemals im Umlauf war. Außer ihr war bisher keine andere Frau auf einem Geldstück in der Bundesrepublik Deutschland zu sehen.
Das Direktorium der Bank deutscher Länder, der späteren Bundesbank, hatte die Gestaltung der Münze 1949 bei ihrem Ehemann, dem Bildhauer Richard Martin Werner, in Auftrag gegeben. Gesucht war ein Motiv, das die unzähligen Trümmerfrauen in den deutschen Großstädten, aber auch die zahlreichen in der Wiederaufforstung tätigen Baumpflanzerinnen ehren sollte. Gerda Johanna Werner diente ihrem Mann als Motiv und hielt dabei eine Eiche in der Hand.
Warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte?
Die Rückseite des 50-Pfenning-Stückes enthält gerade einmal vier Jahre nach dem Ende des II. Weltkrieges eine wichtige Botschaft: Wiederaufbau. Mit Optimismus nach vorne schauen und anpacken!
Historische Vergleiche hinken zwar immer, aber sie sind doch trotzdem aufschlussreich. In der gegenwärtigen Situation und vor der wirtschaftlich größten Herausforderung in der Geschichte unseres Landes sollten wir uns die Botschaft eines kleinen Geldstückes zu eigen machen und danach handeln.
Am Samstag war ich in der Apotheke. Dort lag ein Sonderdruck der „Apotheken-Umschau“, von manchen auch ironisch „Rentner-Bravo“ genannt, aus. Man konnte darauf in großen Lettern lesen: „Positiv denken – auch in Krisenzeiten.“
Positiv denken, das tut die große Mehrheit der Deutschen Gott sei Dank in diesen Tagen.
Nach einer von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage gehen zwar 75 % der Deutschen davon aus, dass die Corona-Krise ihr Leben beeinflussen wird, aber gerade einmal 12 % sehen für die Zukunft Deutschlands schwarz. 88 % hingegen glauben, dass wir insgesamt mit Optimismus in die kommenden Jahre blicken dürfen. Erfreuliche Zahlen, die belegen, dass sich die Menschen nicht von den vielen negativen Meldungen dieser Tage verrückt machen lassen.
70 %, so eine andere aktuelle Umfrage, halten die im Zuge der Pandemie-Eindämmung getroffenen Maßnahmen für richtig. Und der ARD-Deutschlandtrend wusste kürzlich zu vermelden, dass 67 % mit der Arbeit der Regierung zufrieden sind und den Kurs der schrittweisen Lockerungen mittragen.
Aber auch am vergangenen Wochenende demonstrierte ein buntes Völkchen gemeinsam gegen Merkel & Co: ganz Linke und ganz Rechte, Impfgegner und besorgte Bürger – viele im Glauben das Corona eine Erfindung oder ein Instrument dunkler Mächte sei.
Natürlich darf jeder in unserem Land seine Meinung haben und diese auch entsprechend des Artikels 8 des Grundgesetztes bei Demonstrationen öffentlich vortragen. Aber ehrlich besorgte Bürger sollten dennoch aufpassen, auf wenn sie sich dabei einlassen. Es besteht nämlich die Gefahr, dass sie vor einen Karren gespannt werden, den sie gar nicht ziehen wollen. Auffällig ist doch, dass diejenigen, die schon vor Corona gegen alles waren und unseren Staat und seine Repräsentanten mit Kritik, Ablehnung und Häme überzogen, nun wieder ganz vorne mit dabei sind. Ein Schelm, der Böses dabei denkt …
Vor Jahrzehnten hat Winston Churchill (1874-1965), der bedeutendste britische Staatsmann des 20. Jahrhunderts und Premierminister von 1940-1945 und 1951-1955, ein weises Wort gesagt: „Never waste a crisis.“ Wörtlich übersetzt man dies als „Verpasse niemals eine Krise“. Sinngemäß bedeutet dieser Ausspruch, auf den mich unsere Landrätin Kirsten Fründt aufmerksam machte „Mache Dir eine Krise zunutze, ergreife die sich dadurch möglicherweise ergebende Chance“.
Und da ist dann wieder mein Gedanke, den ich Ihnen schon mehrfach an dieser Stelle vortrug: Nach Corona sollten wir einmal vieles von dem hinterfragen, was in der Zeit davor unser Leben und Handeln bestimmte. Braucht man wirklich jede ausufernde Sitzung oder tut es nicht auch eine Telefon- oder Videokonferenz, wo man sich auf das Wichtigste konzentriert? Bringt uns tatsächlich jede Sitzung weiter? Müssen wir wirklich in aller Herren Länder reisen, kennen dabei aber unser Heimatland kaum? Müssen Lebensmittel einfach nur billig sein und deshalb beispielsweise in den Schlachthöfen fast nur billige Arbeitskräfte aus Osteuropa beschäftigt werden?
Machen wir uns die Krise zunutze, ergreifen wir die sich dadurch bietende Chance.
Wie hat der aus Mardorf stammende Bamberger Erzbischof Prof. Dr. Ludwig Schick kürzlich geschrieben: „Coronazeit ist durchaus eine Lernzeit. Gewinnen wir der Krise etwas Positives ab.“ Solcher mutmachenden Worte bedarf es in diesen Tagen.
Für meinen Teil danke ich für die freundlichen Worte, die ich für meine wöchentliche Kolumne erfahre und rufe Ihnen zu: Denken Sie positiv und bleiben Sie gesund!
Thomas Groll
Bürgermeister