EAE Neustadt, eine Zwischenbilanz
Im Sommer 2014 stiegen die Flüchtlingszahlen in Deutschland stark an. Es war absehbar, dass die vorhandenen Erstaufnahmeeinrichtungen bald nicht mehr ausreichen würden, um allen Ankommenden Unterkunft zu bieten.
Diese Erkenntnis, so Abteilungsdirektor Manfred Becker vom Regierungspräsidium Gießen, war natürlich auch in Hessen vorhanden. Die Landesregierung habe sich dafür entschieden, leerstehende Kasernen zu nutzen, da dort die Infrastruktur weitgehend vorhanden gewesen sei. In einem ersten Schritt seien die Kasernen in Neustadt, Büdingen und Rotenburg ausgewählt worden.
Der für Flüchtlingsfragen zuständige Abteilungsdirektor Becker verwies anlässlich eines Pressegespräches darauf, dass die Kommunen seinerzeit keinen Einfluss auf diese Entscheidung gehabt hätten. Dies sei einzig und allein zwischen dem Bund als Eigentümer der Liegenschaften und dem Land ausgehandelt worden. Kein Bürgermeister sei dabei involviert gewesen. Diese seien vielmehr erst nach der Entscheidung informiert werden.
Ausführungen, die Bürgermeister Thomas Groll, bestätigte. „Am 28. Dezember 2014 wurde mir mitgeteilt, dass eine Erstaufnahmeeinrichtung in der ehemaligen Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne geschaffen werde. Mit dieser Situation mussten wir dann umgehen.“
Manfred Becker bescheinigte Neustadts Bürgermeister, im anschließenden Prozess die Interessen der Kommune mit Vehemenz vertreten zu haben. „Er hat mit dem Regierungspräsidenten gesprochen und war in den Wiesbadener Ministerien. Sein Ziel war, dass das Land etwas für Neustadt tut.“
Rückblickend, so Thomas Groll, seien dies arbeitsreiche Monate gewesen. Das Land habe die ihm gegebenen Zusagen eingehalten. „Ohne die Aufnahme in das Städtebauförderungsprogramm Soziale Stadt kein neues Bürgerhaus, kein umgestalteter Schulhof in der Querallee, keine Freibadsanierung, kein Kunstrasenplatz auf der Ochsenwiese, keine neuen Spielplätze am Steimbel und in der Aue und auch kein umgestalteter Bürgerpark. Stattdessen wohl höhere Grundsteuern und Kindergartengebühren.“ Zudem seien Arbeitsplätze vor Ort – auch für Neustädter – entstanden und Wertschöpfung in der Region geblieben.
Becker und Groll verhehlten nicht, dass eine EAE eine besondere Herausforderung für eine Kommune, gerade auch mit der Größe Neustadts, sei.
Es habe natürlich eine Zunahme von Straftaten gegeben, aber Fakt sei auch, dass die Zahl der angezeigten Delikte in Neustadt unter dem Landesdurchschnitt liege. Dies sei natürlich kein Trost für die Opfer. Beide waren sich daher darin einig, dass Straftaten verfolgt und geahndet werden müssen.
„Man muss aber mit Objektivität an das Thema herangehen“, waren sich Abteilungsdirektor und Bürgermeister einig und hoben das Miteinander von Land, Kommune und Polizei hervor. Dass, was möglich sei, werde und wurde getan.
Waren Ende 2015 1.100 Flüchtlinge in der EAE untergebracht, sind es gegenwärtig 513. Zwischenzeitlich waren es einmal um die 300. Diese Zunahme hängt mit einer längeren Verweildauer in der Einrichtung aufgrund geänderter gesetzlicher Grundlagen zusammen.
Bürgermeister Groll stellte fest, dass über 1.000 Flüchtlinge für eine Kerngemeinde mit gerade einmal 6.000 Einwohnern „nicht verträglich“ seien. Die gegenwärtige Belegungszahl sei bereits „an der oberen Grenze“, allerdings habe die Kommune hierauf keinen Einfluss.
Manfred Becker, der davon ausgeht, dass die EAE Neustadt noch länger Bestand haben werde, verwies darauf, dass man natürlich die Größe einer Kommune bei der Belegung berücksichtigte. Er bat aber um Verständnis dafür, dass er keine Höchstgrenze nennen könne. Keiner wisse, die sich die Flüchtlingszahlen mittel- und langfristig entwickeln.
Der Vertreter des Regierungspräsidiums dankte Kommune, Gemeinwesenarbeit und Ehrenamtlern für die bisher geleistete engagierte Arbeit.
Bürgermeister Thomas Groll nutzte das Pressegespräch, um noch auf ein anderes Thema hinzuweisen. In Neustadt leben gegenwärtig über 200 Menschen aus Rumänien und Bulgarien, die sich aufgrund der EU-Freizügigkeitsregelung angesiedelt hätten. „Auch hier weiß ich um die Schwierigkeiten. Die Südosteuropäer verhalten sich in etlichen Punkten nicht so, wie es für ein gutes Miteinander wünschenswert wäre.“ Die Gemeinwesenarbeit sei bereits tätig. Die Kommune werde weitere Mittel beim Sozialministerium für eine Art Streetworker beantragen. Zudem stehe er in Gesprächen mit dem Landkreis und werde sich mit dem Gießener Polizeipräsidenten austauschen. „Wir müssen an unterschiedlichen Bereichen ansetzen, um Erfolge zu erzielen“, so Groll abschließend.